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Genussvoll durch das Wallis und die Viamala-Region in Graubünden
Geschrieben von P. Duckwitz am Donnerstag, 30. August 2018 Auf den Spuren von Cesar Ritz
Strahlend weiß wie eine stilecht gefaltete Serviette, funkelt der Gletscher des 4505 Meter hohen Weisshorns in der Ferne in der Sonne. Eine schöne Gegend hier im Gebiet Goms im Wallis. Ich begebe mich im Dorf Niederwald auf einem Rundwanderweg auf die Spuren des berühmten Hoteliers Cesar Ritz. Hier also wurde der bekannte Gastronom 1850 als dreizehntes Kind des Niederwaldner Gemeindepräsidenten Johann-Anton Ritz und seiner Frau Kreszentia geboren. Auf dem Rundwanderweg über die Höhen rund um das Dorf Niederwald lernt man an sechs Stationen den keineswegs geradlinigen Lebensweg des ideenreichen Hoteliers kennen. Denn dieser wurde wegen Faulheit von der Schule genommen und begann eine nicht sehr erfolgreiche Karriere als Café-Kellner im nahegelegenen Ort Brig. Seine Wege führten ihn nach Paris, nach Wien, Nizza und wieder zurück in die Schweiz, wo er als inzwischen welterfahrener Gastronom die Leitung eines Hotels in Luzern übernahm. Früh erkannte Ritz dass der Gast mehr Komfort als bisher üblich verdient hat bei einem Hotelaufenthalt. Und so führte er zum Beispiel private Badewannen im Zimmer und elektrisches Licht sowie Zimmertelefone, feines Leinen und geräumige Möbel ein, als Zeichen der Modernität und des hohen Komforts in seinem Hotel. Schon bald gaben sich Gäste aus ganz Europa bei ihm die Ehre. Er baute in London das Carlton und dass Savoy, in Frankfurt den Frankfurter Hof, in Rom das Grand Hotel und er eröffnete 1898 in Paris am Palace Vendome im Haus Nummer 15 das erste Hotel das seinen Namen trug. Das Ritz. 1918 starb der berühmte Hotelier an den Folgen einer jahrelangen Depression. Heute, 100 Jahre nach seinem Tod findet sein Leben und Werk wieder besondere Beachtung und dieses ist in eben diesem zweistündigen Rundwanderweg an seinem Geburtsort Niederwald nachzuerleben.
Cesar Ritz genoss im Laufe seines Lebens zunehmend Ruhm und Ansehen, wusste aber auch Kritik positiv zu nutzen. Er erkannte fehlende Qualitätsmerkmale in Hotels und setzte gerade diese positiv in seinen eigenen Hotels um. So gelang es ihm nicht nur zu Lebzeiten bereits weitsichtig und zukunftsorientiert die Hotellerie-Branche zu prägen, sondern seinen Stil der Hotelführung zu einem unumstößlichen Konzept der Branche zu stilisieren. Interessant ist es, noch heute in vielen Schweizer und auch internationalen Hotels zu beobachten, wie die Merkmale der Ritz‘ schen Hotellerie sich weiterentwickelt haben im Sinne eines ausgeklügelten Hotel-Gesamtkonzepts.
Cholera – alles andere als eine Krankheit
die Erlebnisse rund um die Walliser Hotellerie sind eng verbunden mit der prägnanten Gastronomie und den Spezialitäten der Region. So probiere ich hier das herzhafte Gericht “Cholera“. Der gedeckte Gemüse-Kuchen ist alles andere als eine Krankheit. Um den Ursprung des Namens “Cholera“ ranken sich zahlreiche Geschichten. Eine Erklärung lautet, dass er aus der Zeit stammt, in der im Wallis die Cholera ausgebrochen war und der Handel und das Tauschen von Lebensmitteln verboten wurde. Der deftige Kuchen wurde aus dem zubereitet, was der bäuerliche Haushalt hergab: Mehl, Zwiebeln/Lauch, Äpfel, Kartoffeln und Käse. Der Begriff kann aber auch auf “Kohle“ zurückgeführt werden, denn tatsächlich wurde der Gemüsekuchen im offenen Kohleofen gebacken. Schmackhaft ist er in jedem Fall, unabhängig seiner Bedeutung.
Roggenbrot im Wallis – eine fast vergessene Tradition
Inspiriert von den Einsichten des Cesar Ritz zieht es mich weiter durch das Wallis auf der Suche nach Genussmomenten in der Region in Kombination mit ausgezeichneter Hotellerie und Gastfreundschaft. So gelange ich im Naturpark Pfyn-Fingers im Ort Erschmatt zur Erlebniswelt Roggen. Was seltsam klingt ist in Wirklichkeit eine traditionsreiche Handwerkskunst die hier wiederbelebt und den Gästen und Besuchern aktiv zugänglich gemacht wird. Strahlend empfängt mich Susanne Hugo-Lötscher, die Initianten und langjährige Mitarbeiterin der Erlebniswelt Roggen und lädt mich zum Brotbacken in ihrer Backstube ein. Ich lerne welche Zutaten und Zusammensetzungen für den Teig notwendig sind und backe mein eigenes Roggenbrot auf traditionelle Walliser Art. Es ist nicht nur die Kunst und Tradition des Backens die hier erlernt werden soll, es ist vor allem auch die Wiederbelebung eines Handwerks und der regionalen Landwirtschaft. Denn früher in den 1950er Jahren gab es noch zahlreiche Roggenfelder rund um Erschmatt, in den 90er Jahren waren es dann nur noch zwei. Die Gefahr dass diese Tradition dieses Roggenbrot-Brotbackens verlorengeht, war groß. Die Gründung eines Vereins wie die Erlebniswelt Roggen und die Vermittlung des Backens an Gäste führte nicht nur zu einer Vermehrung der Roggenfelder sondern auch zu eine Wiederbelebung der alter Getreidesorten. Der Roggen ist das einzige Getreide, dass sich extremen Klimabedingungen, wie etwa der Winterkälte lange Schneedecken Sommerhitze Dürre usw. anpassen kann und in hohen Lagen gedeiht. Die wichtige Rolle des Walliser Roggens wurde bereits in schriften um das Jahr 1209 belegt. Das Walliser Roggenbrot, welches von Bäckermeistern in der Region gebacken wird, sorgt dafür dass es im Wallis weiterhin Roggen als Korn gibt. Wie vor 100 Jahren wird das Walliser Roggenbrot heute noch mit dem gleichen Zusammensetzungen gebacken. Wie gut dass ich so eine Tradition kennenlernen darf. Und zum Abschluss gibt es von Susanne sogar noch eine echte Sage rund um das Brot: Denn früher soll es in den Wäldern um den Ort Erschmatt viele Zwerge gegeben haben. Diese kamen den Menschen oft zu Hilfe und arbeiteten nachts für sie. Wenn die Zwerge für ihre Arbeit ein Brot und einen Käse erhielten, waren sie sehr zufrieden. Sie nahmen dann ihr Messer heraus machten bei der Hälfte des Käses einen Strich und gleiches bei der Hälfte des Brotes. Jeden Tag aßen sie nur soviel das nie mehr als bis zum Strich abgeschnitten wurde. Und wie durch ein Wunder waren Brot und Käse am nächsten Tag wieder ganz. Bescheidenheit ist die Tugend die man aus dieser alten Sage lernen kann und die heute ebenso fast in Vergessenheit geraten ist, wie die Herstellung des Roggenbrots. Beeindruckt zieht es mich weiter durch die Region.
Hoch hinaus in den Ort Albinen gelange ich weit über die Wein bewachsenen Walliser Täler der Rhone. Wie ein Zungenbrecher kommt das Restaurant, indem ich hier speise daher. Denn wer weiß schon was ein “Godswärgjistubu“ eigentlich ist? Immerhin muss es etwas sein dass mit Tradition zu tun hat, denn sonst wäre dieses Haus nicht mit der Schweizer Auszeichnung “historisches Restaurant des Jahres“ belegt worden. Und Koch Sasha der auch gleichzeitig der Mit-Inhaber des kleinen Wirtshauses ist, erklärt mir das bei seinen täglich wechselnden vier-Gänge-Menüs ausschließlich frische Zutaten aus seinem Gemüsegarten und den Wiesen und umliegenden Wäldern zum Einsatz kommen. Und natürlich gibt es Walliser Wein.
Walliser Wein oder die Kunst des Weinbaus auf höchstem Niveau
Das Wallis ist die größte Weinbauregion der Schweiz und verfügt über eine außergewöhnliche Rebenvielfalt wie etwa dem Fendent, Petite Arvine, Reze, Heida, Pinot Noir oder Diolinoir und viele andere Sorten. Grund dafür sind die klimatischen Bedingungen die vor allem den warmen Föhn in den Tälern des Wallis kennen. Die Region ist nicht nur für die Eleganz seiner Großen Gewächse berühmt, sie beheimatet auch den höchstgelegenen Weinberg Europas. Ich treffe Beat Locher im Ort Leuk . Er ist kein Winzer und doch erfüllt er für den Weinbau eine der wichtigsten Aufgaben für das Gedeihen des Rebstocks. Beat ist Steinmetz. Er baut die Mauern auf den Weinbergen per Hand nach alter Tradition. Einen Tag dauert es bis ein gut geklopftes Stück Mauer im Weinberg fertiggestellt ist. Die Bedeutung dieser Mauer die aus Steinen der Region besteht, ist immens. Denn die durch die Steine ausgewaschenen Mineralien tragen erheblich zum Gelingen und zum Wachstum der Traube und damit zu den besonderen Merkmalen des Walliser Weins bei. Und wenn ich schon im Ort Leuk bin, komme ich nicht umhin, an diesem alten Bischofssitz die älteste Rebe der Schweiz zu besuchen und den Wein dieses heute noch genutzten Gewächses zu probieren. Es ist die Cornalin- Traube die hier geringste Mengen Wein liefert höchste Genüsse hervorbringt.
Alles Käse oder was?
Was wäre die Schweiz ohne ihren Käse und ihre Käsevielfalt in den verschiedenen Regionen? Im Wallis ist es vor allem der Raclettekäse in seiner einzigartigen Geschmacksrichtung, Herstellungsweise und Verwendung, die typisch für die Region ist. Bevor ich mich früh morgens auf die Alm oberhalb des mondänen Kurort Crans-Montana begebe, greife ich zunächst nach den Sternen und treffe den berühmten 1-Sternekoch Franck Reynaud, der an diesem Ort die Schweizer und Walliser Gourmetküche dem geneigten Gast zugänglich machen möchte. Tagesfrische und stets saisonale Zutaten prägen Reynauds Küche. Der Franzose mit Wahlheimat Schweiz ist seit vielen Jahrzehnten begeistert von den Produkten die er in der Umgebung um Crans Montana findet und mit denen er die Gerichte in seiner Küche veredeln kann. Er steht für die sehr reichhaltige gastronomische Seite von Crans Montana und der Region wie kaum ein anderer. Und weil ich mich selbst überzeugen will von den Erzeugnissen der Region, mache ich mich früh am Morgen auf zur Alp Corbyre um der Herstellung des Raclettekäse beizuwohnen. Laut muhende und recht aggressive Kühe erwarten mich, die es schon früh zum malerischen Sonnenaufgang über den Bergen auf die Weiden treibt, um auf 1650 Höhenmetern 100 Tage im Jahr frisches Gras und frische Alpenluft zu genießen. Weniger gut gelaunt scheint Käser Remy, der mich zwar bei der Produktion des Raclettekäse zuschauen lässt, an Erläuterungen aber zur frühen Morgenstunde gerne spart. Immerhin darf ich seinen Käsekeller besichtigen. Zur Verkostung kommen wir dann das nächste Mal. Vielleicht. Dennoch erkenne ich, das Raclettekäse anders als sonstiger Frischkäse bei der Produktion mit heißem Wasser verarbeitet wird und in unmittelbarer Nähe mit einem Topf heißen Wassers etwa eine Viertelstunde gärt, bevor er die erste Stufe des Frischkäses erreicht. Deutlich angenehmer, wenngleich auch nicht viel redseliger gibt sich der ausgezeichnete Chocolatier David Pasquiet, der die Milch der Region und die Kakaobohnen Perus zu wundersamen Kreationen süßer Natur werden lässt. Wie er das tut, bleibt sein Geheimnis. Das Ergebnis lädt zur süßen Verkostung ein. Die kleine aber feine Schokoladenmanufaktur im Herzen von Crans-Montana ist sicherlich ein Besuch und den Genuss einer süßen Verführung wert.
Ein feiner Zug
Zum Genuss der Region Wallis gehört auch der Komfort des Reisens damals wie heute. So probiere ich mich an der Furka Dampfbahn auf der Strecke zwischen Niederwald und Gletsch und erlebe das einzigartige Vergnügen des Reisens, wie es im 19. Jahrhundert nur gut betuchten Gästen möglich war. Die Fahrt führt mich in das legendäre und 180 Jahre alte Hotel Glacier du Rhone. Der heute alte Kasten kommt als Unterkunft jedoch mehr als gruselig daher. Die schummrig beleuchteten Zimmer ohne eigenes Bad entsprechen so gar nicht dem Konzept des berühmten Hotelier Cesar Ritz, geht es mir durch den Kopf als ich die knarrenden Dielen des alten Gemäuers durchschreite. Hoffentlich spukt es hier nicht, denke ich bei mir, als wären die Seelen der verstorbenen Gäste aus der Region hier allesamt in dem merkwürdigen und traditionsreichen Gemäuer versammelt. Umso eindrucksvoller ist die Küche dieses Hauses, die ich im gediegenen alten Speisesaal in mehreren Gängen genießen darf. Ganz anders kommt der wohl berühmteste Zug der Schweiz, der Glacier Express daher, der mich vom Ort Brig in Richtung St. Moritz über die berühmten Orte Andermatt, Disentis und Chur an mein Ziel Thusis in Graubünden führt. Luxus der Extraklasse im Panoramawagen mit Glasdach und traumhafter Aussicht erwarten mich im Glacier Express. Dazu eine gut aufgestellte Speisekarte mit ausgesuchten Spezialitäten und Weinen der Schweiz lassen das Erlebnis Bahnfahrt zu einem Vergnügen besonderer Güte werden. Ein feiner Zug im wahrsten Sinne des Wortes der höchsten Genuss im buchstäblichen Sinne vermittelt. Die wilde Rheinschlucht durchquerend, am zerklüfteten Alpenpanorama vorbeiziehend und durch seine Langsamkeit entschleunigend – das ist der Glacier Express. Ich genieße jede Minute und jede Stunde, die ich in den bequemen Sesseln des Panoramawagens verbringen darf, begleitet von leichter schweizerischer Alpenmusik, die sich der wechselvollen Landschaft spielerisch anpasst. So macht das Reisen Spaß und selbst Verspätungen werden im langsamsten Schnellzug der Schweiz zum höchsten Vergnügen.
Genussvolles Graubünden in der Region Viamala
Endlich gelange ich ins Dorf Zillis in der Nähe des Ortes Thusis. Hier führt Andreetta Schwarz das altehrwürdige Posthotel. Die Schweizerin ist berühmt für ihre Nusstorte, wie aus einer Karamellmasse mit Honig, Zucker und Sahne als Mürbeteig besteht. Das Rezept ist geheim und wird von Andreetta streng gehütet. Es stammt aus einer Weiterentwicklung der wandernden Zuckerbäcker die in vergangenen Zeiten durch die Region zogen und diese Mischung entwickelt haben. Wie gut dass Andreettas Kuchen nicht nur in Ihrem Hause sondern sogar online erhältlich ist. Sehr fortschrittlich für eine Dame, die in Zeiten ohne Internet aufgewachsen ist, denke ich bei mir. Sogar bei den Olympischen Spielen in London ihre Torte dank der Schweizer Handelskammer vertreten. Seit 1979 führt Andreetta das Hotel im kleinen Dorf Zillis und sie ist ebenso bekannt für ihre Capuns, das sind Rouladen aus Mangoldblättern mit einer Füllung aus Spätzleteig und Trockenfleisch ihrer Alpschweine, die sich im Sommer auf der Alm befinden. Ihre Mitarbeiterin Billy Gurt wickelt die Rouladen und kocht sie 20 Minuten in einer Bouillon. Danach werden die Krautwickel im Ofen mit Käse, Speck und Butter überbacken. Es muss nicht immer Sterneküche sein, erkenne ich. Gerade die bodenständigen Gerichte, zubereitet nach alter Tradition sind es, welche die kulinarische Visitenkarte einer Region ausmachen.
Mehr als nur Käse in Andeer
Mehr kulinarische Erlebnisse will ich in dieser Region Graubündens erleben. Im Nachbardorf Andeer treffe ich auf Flo Bienerth, der eigentlich aus dem Allgäu stammt aber sich schon vor langer Zeit hier niedergelassen hat, um Käse zu produzieren, aber vor allem, um Andeer und die Region bekannt zu machen. 25 Sorten aller Altersstufen von 5 bis 7 Jahren findet man in Flohs Sennerei mit verschiedenen Fettstufen und Konsistenzen sowie Inhalten wie etwa Kräutern oder Gewürzen. 30 Tonnen Käse ergibt seine Produktion pro Jahr. Und er beliefert sogar Gourmet-Küchen wie die des berühmten Kochs Andreas Caminada. Jede Käsesorte hat nicht nur einen besonderen und klangvollen Namen, sondern auch eine Geschichte die dahinter steht. Das Dorf Andeer war nie ein Bauerndorf sondern immer einen Passier- Dorf in dem die Postkutsche hielt. Diese brachte Kräuter und Wein. Daher benannte Flo einen seiner Käse genau vor diesem Hintergrund. Der Viamala- Käse wird nicht wie üblich geschmiert, dadurch gelangen Schimmelkulturen in den Käse. Er gilt als naturgereift. Die Milben an der Oberfläche werden verrieben, dadurch entsteht die satte braune Farbe. Stundenlang könnte ich Flo zuhören und seine Geschichten, die sich rund um den Käse auftun, miterleben. Erstaunlich, wie viel Spannendes sich aus einer Verbindung von Milch und Luft am Ende ergibt. Kein Wunder, dass Flo mit zahlreichen seiner Käsesorten bereits hohe Auszeichnungen und Goldmedaillen auf verschiedenen Wettbewerben gewonnen hat.
Dem Honig auf der Spur
Der Imker Bruno Walder, der mich mit zu seinen Bienenstöcken im Wald nahe dem Ort Andeer nimmt, erwartet mich. Von ihm erfahre ich viel über das Leben der Bienen, die Unterschiede zur Wildbiene und zu den natürlichen Gegebenheiten und Erfordernissen des Lebensraums der Biene. Eine wichtige Rolle spielen beispielsweise die Bäume als Nektarproduzenten und nicht etwa nur blühende Wiesen. Der Nektar wird von der Biene in der ersten Hälfte des Jahres gesammelt, bei den Honigbienen bereits im Februar beginnend. Denn durch die Bienenstock-Bildung ist es der Honigbiene möglich, bereits früh im Jahr mit dem Sammeln des Nektars zu beginnen. Die ausgewogene Ernährung ist für die Biene sehr wichtig damit sie gesund ist und das Bienenvolk widerstandsfähig bleibt. Ein Bienensterben wie es in Deutschland und anderen Ländern proklamiert wird, gibt es in der Schweiz nicht, erklärt Bruno Walder. Interessiert lausche ich seinen Worten und erfahre dass es weit mehr als nur Honig gibt, was die Bienen produzieren. So entsteht Honig als medizinisches Mittel, Pollen, Gelee Royale, der eigentlich zur Fütterung der Königin gedacht ist, Wachs, Propolis und Bienengift in der Produktion der Biene erklären mir Walder und seine Frau Martina Mändli. Imker Walder lebt auch von der Zucht von Bienenköniginnen. Ich höre über das Leben im Bienenstock, über die Bedeutung der Königin der Drohnen und der Arbeiterbienen, den Aufbau der Waben und die Nutzung und Verarbeitung des Nektars zu Honig. Bedeutend ist dabei auch, welche Pollen und Nektarsorten die Biene sammelt. Im Frühling sind es vor allem die Blüten von Haselnuss, Krokus und Weiden, im frühen Sommer wechselt die Biene dann zu Obstbaum und Himbeeren. Nahe der Wälder sammelt die Biene die Ausscheidungen der Waldläuse. Daraus entsteht später der kräftige Wald- oder Tannenhonig. Eine Biene wird etwa einen Monat alt, es sei denn sie ist eine Winterbiene, dann hat sie eine längere Lebensdauer weil sie im Bienenstock überwintern kann. Wildbienen überwintern im Gegensatz zu Honigbienen alleine und können sich deshalb im Frühjahr nicht so rasch organisieren wie die Honigbienen im Bienenstock. Die Produktionsleistung der Wildbienen ist daher deutlich geringer als die der Honigbienen. Die Ergebnisse das Nektarsammelns lassen sich an der Farbe des Honigs gut ablesen. So trägt etwa ein Honig, der vor allem von Löwenzahnblüten stammt eine kräftig gelbe Farbe. Honig von Alpenrosen dagegen ist fast weiß und Tannenhonig fast schwarz. Walders Erkenntnisse sind keine Geheimnisse, dennoch sind sie spannend für den Natur- und Genuss suchenden Reisenden der sich in die Region Graubünden begibt.
Kulinarische Hochgenüsse und Capricorns
Noch höher hinaus zieht es mich auf meiner Reise durch die Region Viamala ins hochgelegene Wergenstein auf 1500m Höhe. Bevor ich mich hier der Erkundung des Wildtierbestands in dieser Gegend widme zusammen mit Magnasch Michael vom Jagdbanngebiet Beverin, begebe ich mich auf die Spuren von Küchenchef Torsten Rönisch, der hier oben eine hochklassige Küche offeriert, die sogar 13 Punkte im aktuellen Gault Millau Restaurantführer 2018 erhalten hat. Der gebürtige Dresdener Chefkoch setzt auf die Tradition der alten Rezepte und bodenständige Küche. 95% seiner Zutaten stammen aus der Schweiz, dabei vor allem Fleisch und die Erzeugnisse seines großen Gemüsegartens. Röhnisch ist ständig auf der Suche nach althergebrachten Rezepten und verbindet traditionelle Kochkunst mit moderner Küche. So erfreue ich mich etwa eines Bündner Rohschinkens als Vorspeise und eine Apfel-Selleriecremesuppe im zweiten Gang, während der Hauptgang zum grillierten Rindermedaillon von roten Randen-Spaghetti begleitet wird. Diese Verbindung zwischen moderner und traditioneller Küche ist es wohl, die Torsten Rönischs Beliebtheit hervorbringt. Ziel ist es jedoch nicht noch weiter zu wachsen sondern die 13 Punkte zu halten, sich noch mehr auf einheimische Produkte und Gerichte zu konzentrieren wie er es schon in den vergangenen sieben Jahren seiner Koch Tätigkeit in diesem Modell getan hat.
Pasta, Pasta und noch Safran
Bei Martin und Andrea Grischott in Andeer wohne ich der Pastaherstellung bei. Was im Grunde heute kein Geheimnis mehr ist, findet seine Spezialisierung in den Feinheiten. Denn Grischotts verwenden, ähnlich wie andere Lebensmittelproduzenten der Gegend, ausschließlich regionale und saisonale Produkte. Die Nischenprodukte sind es, die deb Ruf und die Qualität des Ehepaars Grischott prägen. So beziehen die Grischotts etwa Safran aus dem nahegelegenen Dorf Zillis, bauen Buchweizen an, oder fügen den Nudeln regionale Kräuter der Saison zu. Es gibt zwei Arten der Pastaherstellung erklärt mir Martin Grischott: Die Form des Pressens und die des Walzens. Grischott verwendet die Form des Pressens mit 1,8 Tonnen Druck pro Kilogramm. Seine Teigwaren werden durch die Matrizen gepresst ohne Teflon-Beschichtung. Dadurch entsteht eine rauere Oberfläche die mehr Soße aufnehmen kann. Grischott arbeitet vor allem auf Bestellung, dadurch erspart er sich aufwändige Lagerungesprozesse. Teilweise werden seine Nudeln mit der Hand geformt. Die Trocknung erfolgt je nach Jahreszeit und Wetterlage unterschiedlich und dauert etwa drei Tage bei 30 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von 55 %. Je dicker die Teigware und je mehr Mehl enthalten ist, desto länger dauert die Kochzeit, erfahre ich vom Pastaproduzenten und genieße zum Abschluss der Pasta-Produktion Safran- Nudeln an Lachs und Spinat.
Wenn der Capricorn keinen Bock hat
Fröhlich und optimistisch begleitet mich Magnasch Michael auf die Wanderung in die Höhen des Naturparks Beverin. Heute will ich mit ihm Steinböcke, rätoromanisch auch Capricorn genannt, entdecken in den Höhen auf 2600 Metern oberhalb des Dörfchens Wergenstein. Dunkel ziehen die Wolken über die Berge und es blitzt bereits als wir uns auf den Weg machen, der über Stock und Stein über hochgelegene Almen mit Kühen führt. Viel gibt es hier zu sehen, atemberaubende Natur, unvergleichliche Lichtverhältnisse und immer wieder huscht hier und da ein Murmeltier aus seinem Loch. Nur der Steinbock lässt sich weit und breit nicht blicken. Wie gut dass ich ihn schon in der Steinbock-Ausstellung im Hotel gesehen habe. Lieber wäre er mir natürlich in lebendig gewesen. Aber der Naturpark Beverin ist kein Disneyland. Tiere stehen nicht auf Abruf bereit und eine Portion Glück gehört natürlich dazu. Dennoch ist die Wanderung mit Magnasch ein unvergleichliches Naturerlebnis dass man sich für zwei bis drei Stunden am Nachmittag ruhig gönnen kann. Der Lohn ist auch ohne Sichtung des Steinbocks ein zufriedenes Gefühl, die Bergwelt in dieser Region erkundet zu haben.
Via Mala und die Schlucht voller Sagen
Mehr des natürlichen Genusses suche ich in der Region Viamala in Graubünden. Was liegt da näher als die Viamala-Schlucht zu erkunden? Der acht Kilometer lange, berüchtigte Weg zwischen Thusis und Zillis in Graubünden blickt bereits auf eine Geschichte in der Römerzeit zurück. Im 13. Jahrhundert verfiel der ursprüngliche Weg zunehmend, daher entstand der Name Viamala – schlechter Weg. 1473 jedoch beschlossen die Bürger von Thusis diesen alten Weg wieder neu aufzuarbeiten und nutzbar zu machen. Teils wurden Wegstücke neu gemacht kühn in den Felsen gehauen oder über die Schlucht mit Holzwegen geführt, viel später entstand der Travestinaschteig, der in seiner alten Version zerstört und heute zum zweiten Mal aufgebaut überquerbar ist. Oder auch der relativ neue Punt da Suransuns, der als Hängebrücke über den Rhein führt. Die so sanierte Wegstrecke erhielt eine neue Bedeutung im Transportwesen. Über die Jahrhunderte hinweg wurde die Strecke immer wieder erneuert und umgebaut und hielt allen Naturkatastrophen Stand. Bis heute genießt die Viamala Schlucht eine besondere Bedeutung. Denn 2014 wurde dort das Besucherzentrum neu eröffnet und so gelange ich auf 359 Stufen vom Zentrum hinab in die Schlucht, wo sich mir spektakuläre Aussichten von unten nach oben eröffnen. Der Rhein, der durch diese Schlucht führt, windet sich hier in spektakulären Wegführungen durch die steinige Schlucht. Als Wanderer kann ich die Felsengen auf spektakulären Wegen zwischen Thusis und Zillis durchqueren auf einer Wegstrecke zwischen drei und sieben Kilometern auf gut ausgeschilderten Wanderwegen. Zahlreiche Sagen, die sich in der Schlucht abgespielt haben sollen, begleiten mich auf meinem Weg, wie die vom Pfarrer aus Unterengadin der hier dem Teufel begegnet sein soll. Viele dieser Geschichten sind in der Viamala-Schlucht aufgeschrieben und dort für den Reisenden nachzulesen.
Viel kann ich in der Schweiz erleben. Jeder Kanton jede Region, jede Gegend hat ihre Eigenarten, ihre Besonderheiten, ihren eigenen Menschenschlag und ihre eigene Küche mit besonderen Spezialitäten. Hochklassige Gourmetküche oder bodenständige Regionalküche, die althergebrachten Rezepten folgt, durfte ich in den vergangenen Tagen kennen- und schätzen lernen. Immer begleitet von den Eigenarten der Menschen die hinter dieser Küche stehen. Ob herzliche Aufnahme oder zurückhaltende Verbindlichkeit, stets wurde ich freundlich begrüßt. Gepaart mit der unverwechselbaren und atemberaubenden Natur, welche die Schweiz in fast jeder Region zu bieten hat, gestaltet sich eine genussvolle Rundreise durch die Schweizer Regionen Wallis und Graubünden zu einem hochklassigen Reiseerlebnis, dass ich gerne künftig wiederholen und noch intensiver erleben möchte.
DER JOURNEYLIST – Philip Duckwitz
Mitglied in der Vereinigung Deutscher Reisejournalisten (Journalistenkreis)
Mitglied im Deutschen Fachjournalisten-Verband (DFJV)
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