Mühlen in Bayern

„Ein Müller, wenn er Meister werden will, soll zum Meisterstück ein überschlechtig Wasserrad abreißen, das Kamrad neu kämmen, eine Haue in den Mühlstein einsenken, das Getreide vorstellen, die Mühle auf drei Teile fassen und solche untadelig gangbar machen“.

Dies fordert eine Zunftordnung von 1660. Damals wie heute muss ein Müller oder eine Müllerin mehr können als Getreide mahlen und Brot backen. Daher ist die Ausbildung zum Müllerberuf sehr vielseitig. Metallbearbeitung, Leder- und Sägearbeiten sind ebenso gefragt, wie das Bedienen vollautomatischer, computergesteuerter Mühlen.
Wie wäre einmal eine Mühlentour mit dem Wohnmobil? Den Link zu einem Mühlenverzeichnis gibt es am Eede des Artikels.

Energiequelle Natur

Bayern — das der Fläche nach größte Bundesland Deutschlands — ist gekennzeichnet durch seine großen Ebenen des Main und der Donau im Westen und in der Mitte sowie das Voralpenland und die Alpen mit dem sonnigen Chiemgau im Süden. Bereits im vorletzten Jahrtausend prädestinierte Plätze für den Getreideanbau. Geeignete Plätze für Windmühlen gab es im hügeligen Bayern jedoch kaum. Mit seinen vielen Gewässern hingegen bot Bayern allerdings die besten Voraussetzungen zur Anlage von Wassermühlen. Oft reihte sich deshalb an den Flussläufen Mühle an Mühle, wie z. B. am Sulzbach in Niederbayern. Dort lagen vor nicht allzu langer Zeit auf circa 25 km Bachlänge noch 15 Getreidemühlen. Grundsätzlich gab es in Bayern drei verschiedene Mühlenlandschaften, die sich aus den unterschiedlichen Rechtssystemen in Franken, Altbayern und Schwaben entwickelten. Während z. B. in Franken die sogenannten Bannmühlen arbeiteten, die dem Mühlenzwang unterlagen, wurden in Altbayern weitestgehend freie Mühlen betrieben. Diese Situation wirkte sich auf die ökonomische Lage und das äußere Erscheinungsbild der Mühlen aus.

Die überwiegende Zahl der Mühlen waren Kundenmühlen (Umtauschmüllerei) für die bäuerlichen Großfamilien mit viel Personal. Nur wenige konnten sich als „Handelsmühle“ für den heutigen Markt ausbilden. Den in Süddeutschland oft anzutreffenden Begriff „Kunstmühle“ legten sich um die vorletzte Jahrhundertwende Mühlen zu, welche von der Steinmüllerei zur Vermahlung auf Walzenstühlen übergingen und schon mehr oder weniger einen automatischen Betrieb mit Elevatoren (Fördertechnik) führten.

Mühlenplätze

Heute gibt es in Bayern nach etwa 400 Mühlen, viele davon haben eine jahrhundertealte Tradition. Nach dem alten bayerischen Volksrecht waren Mühlen früher öffentliche Gebäude, daher ist der Nachweis der Vorläufer der heutigen Mühlen meist sehr gut belegt. So lässt sich beispielsweise die Geschichte der Wagenstaller Mühle bis in das Jahr 930, das der Draxmühle bis 1534 und auch das der Rosenmühle bis ins Jahr 1536 zurückverfolgen. Von den vielen stillgelegten Mühlen sind nur noch wenige erhalten. Trotzdem gibt es eine Anzahl schöner und interessanter Objekte, bei denen Freunde alter Technik traditionelle Mühlen und deren Einrichtung bewahrt oder restauriert haben. In zahlreichen aktiven Mühlen kann man die alte Handwerkstradition immer noch hautnah erleben. Viele haben zudem Mühlenläden mit Produkten rund um das Getreide und bieten neben Nahrhaftem und Lehrreichem auch Handgemachtes, wie beispielsweise Brotbackkurse am original Holzofen an.

Brotbackkurs in der Naturkostmühle Riedering

„Mit Händen gefühlt, mit Augen betrachtet, wird der Weg des Korns zum Mehl prüfend begleitet“.

So beschreibt Anneliese Wagenstaller — Müllerin der Naturkostmühle in Riedering — in ihrem Buch „Brot und Heimat“ ihre Arbeit. Neben dem Wissen über Laboruntersuchungen, Typenbestimmung, Qualitätskontrolle und Getreideauslese, ist das Mahlen von Mehl eine Handwerkskunst, die viel Erfahrung und Sorgfalt erfordert. Gesundes Getreide ist dabei wichtigste Voraussetzung für hochwertige und gleich bleibende Qualitäten, die sich in einer Vielzahl von Mehlsorten mit unterschiedlichen Backeigenschaften widerspiegeln. So hat sich die oftmals generationenübergreifende Zusammenarbeit mit den Landwirten aus der Region bestens bewährt. Die Bauern bearbeiten ihre Äcker weitsichtig, denn sie wollen den wertvollen Boden an die nächsten Generationen weitergeben. Nachhaltigkeit nennt man heute, was früher Selbstverständlichkeit war. In jedem Weizen-, Dinkel- oder Roggenkorn steckt eine geballte Ladung Energie. Aber jedes Korn ist nur so gut oder wertvoll wie der Boden aus dem es kommt. Das Wort „bio“ wird hierfür seit einiger Zeit arg strapaziert. Dabei meint das bescheidene Wort mit griechischer Herkunft nur eines: Leben! Die Lehre der Hildegard von Bingen hat bei den Wagenstallers einen starken Einfluss auf den Umgang mit den Mehlen. Informationen über Fastenkuren, Kräuterheilkräfte, Einflüsse der Mondphasen, Wirkung von Heilsteinen und nützliches über Mehl und Müsli für Allergiker ist Wissen, das an den oft jahrhundertealten Mühlenplätzen gesammelt und bewahrt wurde.

Unser täglich Brot gib uns heute!

Brot backen ist ein Erlebnis für alle Sinne. Am besten kann man das bei einem sinnlich-heiteren Brotbackkurs in der Mühle erleben. Da wird gemischt, geknetet, geformt und gewürzt. Es duftet und fühlt sich gut an. Verschieden Mehle, frisch aus der Mühle, Körner dazu, Gewürze, gutes Quellwasser, viel Freude und Liebe, so gedeiht Selbstgemachtes unter der Anleitung von Annelie Wagenstaller im Holzofen zu einem Brotlaib. Das kneten des warmen Teiges ist ein besonders „ergreifendes“ Erlebnis. Und wenn nach etwa einer Stunde die Brotlaibe aus dem Ofen kommen, sieht man, dass alles Zutun den Laib geformt hat. Jedes sieht anders aus, riecht anders, hört sich anders an und schmeckt anders. Wer sich zu Hause im Brotbacken üben will, dem seien die Brotbackbücher der Müllerin empfohlen.

Tipps:

Brot sollte gut ausgekühlt sein, bevor man es genießt. Und am besten schmeckt es, wenn man es mit anderen teilt und die „Brot-Zeit“ zu einem gemeinsamen Fest werden lässt. Ganz gleich ob mit delikatem Schinken oder einfach mit Butter bestrichen, ein Gläschen Wein, Bier oder frische Buttermilch dazu – sättigt und ist köstlich.

Das Getreide auf den Feldern ist immer reich an Hoffnung

„Das Gute erhalten und pflegen, um auch später noch davon profitieren zu können.“

Das ist deshalb auch der Leitsatz von Monika Drax, einer engagierten Müllerin aus Rechtmehring in Oberbayern. Sie überzeugt sich auf den Feldern der Bauern über Reifegrad und Qualität bereits vor der Getreideernte. Die Drax-Mühle wurde 1534 zum ersten Mal urkundlich erwähnt und hieß damals noch Bartmühle.

Wie es bereits die Kinder singen, klappert eine Mühle meistens an einem Bach. Der ehemalige Lohbach, heute Hochhauser Bach, speist die Mühlenräder der Drax-Mühle seit eh und je mit seinem außergewöhnlich reinem Quellwasser. Im Jahr 1912 erwarb Karl Drax die Mühle unterhalb der Wallfahrtskirche „Maria Hochhaus“ in der Nähe von Rechtmehring. Seither befindet sie sich die Mühle in Familienbesitz. Monika Drax, eine der wenigen Müllermeisterinnen Deutschlands, führt sie nun bereits in vierter Generation weiter.

50 Bauern beliefern die Drax-Mühle mit Getreide. Einige von Ihnen kultivieren wieder das Urgetreide Dinkel. Sie ziehen der Quantität von neuen, ertragreicheren Getreidesorten die Qualität des hochwertigen Dinkels vor. Und das mit Erfolg, denn das Korn ist steinalt und hat in über viertausend Jahren gelernt, das Beste in sich gut geschützt zu entwickeln. Urdinkel gilt als Vorläufer des Weizens. Es zeichnet sich durch Robustheit und geringe Ansprüche an den Standort aus. In zwei Spelzhüllen reift es heran, ist also doppelt verpackt und vor Schadstoffen aus der Luft geschützt. Hohe Düngergaben lohnen sich bei Dinkel nicht, er nimmt sie nicht an und sein Ertrag steigt damit auch nicht. Rund um die Drax-Mühle, in den Landkreisen Mühldorf, Erding, Ebersberg und Rosenheim, gab es bereits vor über hundert Jahren zahllose Dinkelfelder. Einen bedeutenden Anteil nimmt dabei die Urdinkelsorte Oberkulmer Rotkorn ein. Sie ist eine von zwei alten Urdinkelsorten, die in der Mühle mit dem Gütesiegel „UrDinkel“ gekennzeichnet sind.

Verzehrtipp: Dinkel kann wie jedes andere Mehl zur Herstellung von Kuchen, Gebäck, Brot oder Nudeln verwendet werden. Zu selbst gebackenem Dinkelgebäck passt auch vorzüglich Dinkelkaffee oder Dinkelbier, eventuell sogar gemischt mit Girsch, einer Limonade aus der aromatischen Gundermann (Heilpflanze).

Wussten Sie schon …?

… dass Grünkern ein in der Milchreife geernteter und auf Holzfeuer gedarrter Dinkel ist? Der Ernte- und Darrvorgang muss in sehr kurzer Zeit vollbracht werden, da sonst schlechte Qualität entsteht. Er ist eine vorzügliche Grundlage für Bratlinge, Suppen und Aufläufe.

Wenn man mehr Getreide und weniger Phrasen dreschen würde, gäbe es auf der Welt bald kaum noch Hungrige.

Henry von Heiseler, (1875 – 1928)

Wussten Sie schon…?

… dass es kurz nach dem 2.Weltkrieg in Deutschland noch über 30.000 kleine Mühlen gab? Heute sind es weit weniger als 2000, deren Wissen und Erfahrungen es zu nutzen gilt.

… dass Weichweizengrieß zu den beliebtesten Grießsorten gehört und aus dem reinen Korn ohne Schalen besteht? Er eignet sich hervorragend für herzhafte Gerichte wie Knödel, Aufläufe oder die bayerischen Grießnockerl, aber auch für süße Speisen wie Grießbrei, Desserts und Kuchen.

Weitere Informationen:

Sehr viel Interessantes über Mühlen erfährt man bei der Deutschen Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung unter http://www.muehlen-dgm-ev.de/