Die alten Arbeitszeitmodelle taugen nichts. Was möchten Arbeitnehmer heute, und was wirkt sich positiv auf die Arbeitsleistung aus? Die Antwort ist schon da, und sie wird gelebt. Eine aktuelle Untersuchung des Instituts der Wirtschaft (nicht gerade arbeitgeberfeindlich!) zeigt deutlich auf, Mitarbeiter, die ihre Arbeitszeit flexibel gestalten möchten, und weniger kontrolliert werden, sind viel zufriedener und auch noch viel produktiver als Mitarbeiter, die feste Arbeitszeiten einhalten müssen und auch noch z. B. durch Stechuhr kontrolliert werden. Die Zahlen sind eindeutig: 70 Prozent der Arbeitnehmer sind zufrieden, wenn sie ihre Arbeitszeit frei gestalten können, nur 45 Prozent der Arbeitnehmer sind zufrieden, wenn streng kontrolliert werden und sich festen Arbeitszeiten beugen müssen. Noch eine Zahl ist interessant: die Kontrollen durch den direkten Vorgesetzten erhöhen nur bei zwei Prozent der Arbeitnehmer das Arbeitstempo. Gleichzeitig steigt das Konfliktpotential bei 32 Prozent der Arbeitnehmer.
Chefs, die Angst haben, die Kontrolle zu verlieren, sollten..
..sich ein Beispiel nehmen an MaibornWolff, stellvertretend für Unternehmen, die Eigeninteressen optimal verbinden mit Mitarbeiterinteressen. Habe die Chefs des Unternehmens persönlich kennengelernt. Und was machen die beiden so anders? Jegliche Arbeitszeitmodelle sind erlaubt. Wer drei Monate arbeiten möchte und drei Monate Urlaub machen will, kein Problem. Sabbatical – kein Problem. Home office – kein Problem. Das aktuelle Projekt macht dem Mitarbeiter keinen Spaß mehr – kein Problem, er bekommt ein anderes Projekt. Jeder Mitarbeiter hat ein vertraglich zugesichertes Recht, in Höhe seines Bruttomonatsbezugs Aus- und Weiterbildung zu betreiben.
Der aktuelle Hammer ist, das Unternehmen hat seinen Sitz in München. Dort sind Mieten teuer. Was macht MaibornWolff? Sie errichten Büros in Augsburg, also in der Umgebung. Oder in Berlin und Frankfurt. Die Mitarbeiter bleiben, wo sie wohnen, ohne aufwändig anreisen zu müssen oder sich eine Wohnung in München besorgen müssen. Die Mitarbeiter sind begeistert. MaibornWolff ist schon mehrere Jahre hintereinander der beliebteste Arbeitgeber der Bundesrepublik im IT-Bereich. Und nicht nur das, das Unternehmen ist nicht nur sehr sozial, sondern auch wirtschaftlichenorm erfolgreich. Lesen Sie einmal die Kununu-Bewertungen – da können Altvordere nur staunen, und hoffentlich lernen.
Klar, es geht nicht überall und für jeden Job so. Schichtdienst ist kaum organisierbar, wenn nicht feste Anwesenheitszeiten vereinbart sind. Aber nur weil es nicht überall geht, bedeutet noch dies noch lange nicht, dass es nirgendwo geht.
Und all den Kontrollfreaks sei in ihr Tagebuch geschrieben, was Forscher schon längst herausgefunden haben. Kontrollen sind meistens wirkungslos und auch demotivierend.
Die Erklärung ist eigentlich ganz einfach. Wenn Chefs den Mitarbeitern misstrauen, und sie deshalb stärker kontrollieren, dann kann dieses Misstrauen berechtigt und unberechtigt sein.
Ist das Misstrauen berechtigt, dann überlegen sich Mitarbeiter, wie sie die Kontrollmechanismen aushebeln können. Und da sind sie erfinderisch. Vermeidungsaktivitäten, Vertuschungsprojekte, sich rausreden, abschwächen, Fehler nicht zugeben, andere bezichtigen kann recht gut von eigenen Fehlern ablenken.
Was aber passiert, wenn das Misstrauen unberechtigt ist? Denn es soll ja Mitarbeiter geben, die Kontrollen als Bedrohung und auch als Ausdruck des Misstrauens werten. Da hält man sich doch lieber zurück. Man geht mit noch mehr Vorsicht an die Aufgabe oder startet den oft erfolgreichen Versuch der Rückdelegation. Letztlich wird der Mitarbeiter durch Kontrollen unsicher, hat Stress, traut sich immer weniger zu. Besser nix tun, als etwas falsch zu machen, scheint dann die Devise. Bei ständig kontrollierten Mitarbeitern sinkt nicht die Fehlerquote, sie erhöht sich! Das wiederum senkt die Produktivität. Kurzum: Kontrollen, die aus Misstrauen entstehen, und mit denen vertrauenswürdige Mitarbeiter konfrontiert werde, sind eigentlich nur Eines: demotivierend.
Was aber hilft, was ist sinnvoll? Interessanterweise ist das längst untersucht. Claudia Vogel und Jonathan Tan konnten schon 2008 nachweisen, dass Menschen mit moralischen und/oder religiösen Werten sich aufgrund moralischer Prinzipien anständiger benehmen, als Menschen ohne eine moralische oder religiöse Orientierung. Im gleichen Jahr hat Frau Professor Nina Mazar mit einem interessanten Experiment nachweisen können, dass Menschen, die an moralisch-ethische Standards erinnert werden, sich anständiger verhalten, als Menschen, die völlig ohne Kontrolle und Hinweise moralischer Natur arbeiten dürfen oder ständig kontrollierte Menschen. Frau Mazar ließ Studenten an der Yale Universität zehn Rechenaufgaben lösen. Damit das Experiment realistisch war, bekam jeder für jede gelöste Aufgabe 5 Dollar, die behalten werden durften. Die erste Gruppe musste die gelösten Aufgaben einem Kontrollgremium übergeben. Durchschnittlich richtig gerechnete Aufgaben dieser Gruppe: 3,4. Die zweite Gruppe sollte nur mitteilen, wie viele Aufgaben richtig gelöst wurden. Da waren es 6,1 Treffer. Die dritte Gruppe wurde vor den Rechenaufgaben an ethische Standards erinnert. Dieser Gruppe wurde ein Schriftstück vorgelegt, in dem stand: „Mir ist bewusst, dass diese Studie unter den Ehrenkodex des MIT von Yale fällt“. Diesen Satz sollten sie unterschreiben. Abgesehen davon, dass das MIT gar keinen Ethikkodex hat, war das anschließende Ergebnis interessant. Die dritte Gruppe hatte eine Trefferquote von 3,1 Punkten, war also noch ehrlicher als die kontrollierte Gruppe.
Genau diesen Effekt des Erinnerns an moralische Werte hatten schon einige Jahre zuvor (2005) Gino und Ariely untersucht. Sie ließen Studenten so viele Gebote aus der Bibel aufschreiben wie ihnen einfielen. Dann kam ein Test. Witzigerweise schummelten selbst Atheisten danach weniger. Und noch etwas haben Forscher herausgefunden. Wenn man die Beteiligten bittet, einen Ethikkodex nicht nur zu lesen, sondern zu unterschreiben, dass man sich daran halten wird, ist die Rate der Aufrichtigkeit am höchsten.
Das bedeutet für Unternehmen, wer will, dass sich Mitarbeiter anständig benehmen und ordentlich arbeiten, erreicht dies nicht durch Kontrolle. Das Gegenteil ist eher der Fall. Anständige Mitarbeiter werden durch Kontrollen demotiviert, und die, die betrügen wollen, finden nur andere Wege dafür. Es gilt mehr zu investieren in das Vertrauen in die Mitarbeiter, das bringt mehr als Kontrolle.
Eine Kolumne von Ulf D. Posé
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