Die wallonischen Weiten

Geschrieben von Philip Duckwitz am Mittwoch, 16. Mai 2018

Namur - Wallonie

Mein Blick schweift über die wallonischen Weiten. Hoch hinaus zieht es den Besucher der kleinen aber feinen Stadt Namur, an der Einmündung der Sambre in die Maas. Hier oben von der Zitadelle lässt sich der Zusammenfluss beide Gewässer gut wahrnehmen und eröffnet einen ausgezeichneten Ausblick über die kleine wallonische Stadt mit ihrer weitreichenden und wechselvollen Geschichte.

Denn bereits in vorchristlicher Zeit stand hier eine Kelten-Siedlung, die Merowinger waren es die dort eine erste Festung erbauten, etwa um das Jahr 890 herum. Mit 80 Hektar ist diese Festungsanlage heute eine der größten in Europa und liegt 190 m über dem Meeresspiegel. Gleichwohl blickt auch diese Festung, die Zitadelle von Namur auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Mal gehört Namur und seine Festung zu Flandern dann zu den Spanischen Niederlanden auch Napoleon war natürlich schon hier die Österreicher und seit 1830 endlich das belgische Königreich. Viele Zerstörungen im ersten und zweiten Weltkrieg musste die Festung ertragen, die heute den Besuchern tiefe Einblicke im wahrsten Sinne des Wortes gewährt. Denn die Katakomben der Zitadelle, erst im vergangenen Jahr restauriert, lassen sich in einem anderthalbstündigen, unterirdischen Spaziergang erkunden. Dabei wird dem Besucher eindrucksvoll mit einer Licht- und Laser-Inszenierung die Geschichte der Zitadelle und der Stadt Namur anschaulich vorgeführt.

die Zitadelle besteht aus drei Teilen, die von unten nach oben als Donjon, mediane und Terra Nova bezeichnet werden. Das gräfliche Schloss, das Donjon, erbaut im 14. Jahrhundert ist heute ein bemerkenswertes Hotel, in dem sich eine Übernachtung mit Ausblick auf Namur durchaus lohnt, um oberhalb der Stadt inmitten der Zitadelle in Anlage das Gefühl eines herrschaftlichen Aufenthalts zu erleben.

Noch höher hinaus – allerdings nur für kurze Zeit – geht es mit dem Kran beim Event “Namur in the sky“ ,“Namur im Himmel“, bei dem eine 50 m lange Gondel mit 22 Gästen 50 m in die Höhe gehoben wird und von dort einen einzigartigen Ausblick über die Stadt Namur und die Zitadelle bietet. Bewirtet wird der Gast derweil mit ausgesuchten Gaumenfreuden von renommierten, belgischen Küchenchefs. Ein Erlebnis das schwindelfreie Gäste in ungeahnt kulinarische und physikalische Höhen befördert.

Begebe ich mich hinab in die Niederungen…

…der Stadt Namur, so bietet das Zentrum der Altstadt nicht nur zahlreiche Freudie architektonischer kulinarischer oder merkatorischer Art. Zu Fuß oder mit der Fahrradrikscha erkunde ich bequem die Innenstadt, die “Vieux Quartiers“. Auf zwei Herren werde ich aufmerksam die am Straßenrand als skurrile Figuren aufgestellt sind. Es handelt sich um Djoseph und Fracwes, zwei folkloristische Gestalten aus der Feder des Karikaturisten Jean Legrand, der mit viel Humor das Dolce Vita in Namur wiedergibt. Vor den beiden Figuren sind zwei Schnecken abgebildet, welche die Langsamkeit der belgischen Bürokratie verdeutlichen sollen. Gestaltet in einer Bronze-Darstellung wurde diese Karikatur von der Künstlerin Suzanne Gohard.

Doch was ist das? Auf kleinen Absätzen an Mauern und Fenstern der Fassaden in der Innenstadt entdecke ich winzige Figuren. Es handelt sich um eine Skulpturenreihe des Künstlers Isaac Cordal, der bereits in vielen Städten so auch in Namur seine Miniaturfiguren aufgestellt hat. Eine interessante Aufgabe für den Besucher diese Figuren zu entdecken etwa bei einem Stadtspaziergang. Ich gelange zum Theater mitten im Zentrum von Namur. Und direkt unterhalb des Denkmals des wallonischen Komponisten Nicholas Bosret befindet sich ein kleiner steinerner Sitz. Es ist der Thron der Lügner so höre ich. Denn einmal im Jahr im Juni darf dort der beste Geschichtenerzähler Platz nehmen. Dieser Wettkampf der Lügner reicht bis ins 18. Jahrhundert zurück. Der feinsinnige, wallonische Humor wird mir bei diesem Stadtrundgang anschaulich bewusst.

Denn nicht nur großartige Kirchen, Stadttürme und mittelalterliche Fassaden hat Namur zu bieten, es sind vor allem die kleinen Dinge an denen man eigentlich vorbei gehen würde und die in ihrer Bedeutung umso wichtiger für das Verständnis der Stadt sind. Es ist der Reiz der Langsamkeit der Namur ausmacht. Das das vorsichtige Entdecken und ausgedehnte genießen steht hier im Vordergrund.

Wallonische Leckereien in Namur und Umgebung

Auch der Kulinarika kommt hier voll auf seine Kosten. Mit seinen 300 kleinen Geschäften ist Namur ein echter Tipp für Feinschmecker und Genießer süßer Spezialitäten. Ob Schokoladentörtchen, Küchlein, Kaffeevarianten oder die beliebten Bietrumes-Karamellbonbons, hergestellt in Handarbeit, Pralinen aller Geschmacksrichtungen lassen sich hier verkosten. Bodenständig und schwer geht es in der wallonischen Küche zu. Speck gehört zu jedem Gericht ebenso wie der wallonische Hahn und Produkte der Landwirtschaft so wie schwere Käsesorten von Kuh und Schaf. Wie gut, dass man die Wallonie auch per Planwagen beim Genuss von Spezialitäten aus der Region erkunden kann, etwa in den Ardennen, südlich von Namur in der wallonischen Provinz Luxemburg.

Duftig geht es unterhalb der Kasematten der Zitadelle von Namur zu. Denn hier kreiert der Parfumeur Guy Delforge Damendüfte in seiner Manufaktur. Die Rohstoffe für seine Schöpfungen bewahrt der Compositeur in gleichbleibender Temperatur viele Meter unter der Erde auf. Viel lässt sich in Namur erleben doch mich zieht es weiter durch die Wallonie.

Madame Yvette und die Welt der Dosen

Ein Raum voller Dosen, eine schöner als die andere erwartet mich im Museum für Lithographie. Blechdosen im kleinen Örtchen Grand Hallet. Hier hängt sprichwörtlich der Himmel voller Dosen. Die heute 80-Jährige Madame Yvette begann in den 50er Jahren mit ihrer Sammlung. Ihre erste Dose bekam sie von einer Tante geschenkt da waren Fotos drin, erzählt sie. Und so kam eine Dose zur anderen, heute bekommt sie Objekte aus aller Welt zugeschickt und findet, die englischen Gefäße sind am schönsten, weil sie so filigran und schwungvoll gearbeitet sind. Auf vier Häuser verteilt sich ihre Sammlung heute, so viele Dosen lassen sich bei Madame Yvette besichtigen, dass man aus dem Staunen und Entdecken fast nicht mehr herauskommt. Die älteste Dose stammt aus dem Jahr 1868 aus England. Es ist mehr als ein Stück Blech denn alle Dosen sind Zeugen einer Vergangenheit, Zeugen der Kultur und der Erinnerung. Waren sie doch einst gefüllt mit Tee Gewürzen, Süßwaren oder Medikamenten, so hat sich ihre Form erhalten und vermittelt dem Betrachter ihren einstigen Zweck und die Kultur jener Zeit in der die Dose geschaffen wurde. Noch heute führt Madame Yvette ihr Museum nahezu alleine, und das mit großer Leidenschaft.

Monsieur Monopoli und die Welt der Automaten

Richtig skurril fast schon gruselig anmutend wird es im Automatenmuseum von Renato Monopoli im winzigen Ort Barsy-Flostoy. Bereits am Eingang erwarten mich Teddybären die Seifenblasen pusten und das ist noch das Harmloseste, was dieses außergewöhnliche Museum zu bieten hat. Spieluhren, Leierkästen, Musiktruhen, elektrische Klavier und vor allem Figuren die sich nach Musik mit Armen und Beinen bewegen und sogar die Augen rollen bieten sich dem Besucher in den kleinen Räumlichkeiten des Renato Monopoli. Eigentlich war er 30 Jahre Langstreckenpilot bei einer italienischen Airline, frönte aber gerade auf Reisen seiner Leidenschaft Automaten und skurrile Musikanlagen, die für Werbung und Einzelhandel geschaffen wurden, zusammen zu tragen. Seine Sammlung hat längst den Weg in das Guinness-Buch der Rekorde gefunden. Dieses Haus ist mehr als ein Museum es bewegt sich, es ist lebendig. Und Renato sprüht vor Energie als er seine Automaten und Figuren vorführt und den Besucher damit in diese wunderbare Welt der Fantasie hineinzieht. Obgleich die sich bewegenden Figuren ihre gruselige Wirkung beim Besucher nicht verfehlen überwiegt doch die Faszination vor der Präzision dieser konstruierten Bewegungen die die Puppen an den Tag legen.

Geheimnisse der Wallonie

Viel kann man in der Wallonie erleben in jedem Dorf fast eine interessante Geschichte finden, wie etwa die Antonius von Padua Grotte von 1903 in Crupet, die zwar kitschig aber sehenswert ist. Ein Streifzug durch die Wallonie eröffnet völlig unbekannte Welten. Es scheint als wären die Menschen in dieser Region Jäger und Sammler außergewöhnlicher Gegenstände. Die Geheimnisse der Wallonie – Einblicke und Ausblicke die sich bei einer Tour durch die kleine aber feine Region in unmittelbarer Nähe zu Deutschland entdecken lassen. Dazu die Offenherzigkeit und Freundlichkeit der Menschen, die bodenständige Küche und das kulturelle Flair der Gegend bilden mehr als genug Gründe, hierher zurückzukehren und auf Spurensuche nach Erstaunlichkeiten in diesem Landstrich im Süden Belgiens zu suchen.

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Wie kommt man hin?

Von Deutschland aus erreicht man Namur mit dem Auto über Aachen und Lüttich in etwa zwei Stunden der A4/E40 folgend. Eine Anreise mit der Bahn ist nicht sinnvoll, da die kleinen Dörfer ohne Auto nicht zu erreichen sind.

Unterkunft in Namur

Stilvoll und erhaben oberhalb der Stadt wohnt man im Chateau de Namur direkt auf der Zitadelle

http://www.chateaudenamur.com/ 

Restaurant-Tipp

Gut Speisen in stilvollem Ambiente mit regionaler Küche kann man in Namur im Restaurant Tanneurs

http://www.tanneurs.com/fr/restaurant-legrill.php 

Museen:

Informationen zum Skulpturen-Parcours von Isaac Cordal in Namur

https://parcoursstreetart.brussels/en/artistes/isaac-cordal/ 

Das Dosen-Museum von Madame Yvette in Grand-Hallet erreicht man hier:

http://belgien-tourismus-wallonie.de/de/content/museum-der-lithografierten-blechdosen-grand-hallet 

Das Museum der Automaten findet man hier:

http://www.musee-monopoli.be

Mehr Kultur, Museen und Aktivitäten lassen sich auf der Seite des Tourismus Wallonie entdecken:

http://belgien-tourismus-wallonie.de/ 

Aktivitäten

Eine Planwagenfahrt durch die Ardennen mit kulinarischer Verkostung regionaler Spezialitäten bucht man hier:

http://chariotafondue.wixsite.com/laetitia 

Diese Reise wurde durchgeführt mit freundlicher Unterstützung des Tourismusamts Belgien-Tourismus Wallonie

Erlebt, geschrieben und fotografiert von: Journeylist – Philip Duckwitz
Mitglied in der Vereinigung Deutscher Reisejournalisten (Journalistenkreis)
Mitglied im Deutschen Fachjournalisten-Verband (DFJV)
Internet: http://www.journeylist.de