Geschrieben von Webmaster am Sonntag, 05. März 2017
Der Egetmann-Umzug im Südtiroler Tramin
Laut scheppernd stürmt eine Horde riesiger Schnappvieher die Gasse hinunter ins Dorf und beginnt ihr Unwesen zu treiben. Es sind halt Winterdämonen, die hier die Straßen unsicher machen. Denn die Ungetüme sind bis zu drei Meter hoch, haben große, zahnreiche Mäuler und einen fellbewachsenen Kopf ohne Ohren. Ihr Erscheinen bildet den Anfang des Egetmann-Umzugs in Tramin an der Weinstraße in Südtirol. Angekündigt wurden sie durch einen Trompeter, der von „Goaßl-Schnalzern“ begleitet wird, Knechte, die mit der Peitsche die Gassen frei schlagen.
Und dieses Faschingstreiben folgt ganz klaren Regeln und Traditionen, die tief in der Geschichte des seit dem Jahr 1591 stattfindenden Faschingstreibens verwurzelt sind. Immer am Faschings-Dienstag in ungeraden Jahren wandelt sich die Stadt vom malerischen Weindorf zu einer Stätte des wilden Treibens, dessen Spektakel wohl ihres gleichen sucht. Daher steht der Egetmann-Umzug auch auf der Liste der UNESCO-Welterbe-Güter und könnte in Kürze dort seinen Platz finden.
Egetmanhansels Hochzeit – klare Regeln in buntem Treiben
Erschreckt und überrascht betrachte ich die Gestalten, die da auf den Gassen Tramins ihr Unwesen treiben. Schwarz bemalte Gesichter – früher Ruß, heute Schuhcreme oder anderes Färbemittel prägen die Teilnehmer. Und von ihrer schwarzen Farbe geben sie gerne etwas an die Zuschauer ab. Wer nicht mit mindestens einem schwarzen Strich oder Klecks im Gesicht heimkommt, der war nicht dabei beim Umzug, an dem nur einheimische Männer teilnehmen dürfen. Und das waren in den letzten Jahren gut 800 an der Zahl. Stattlich für ein Dorf mit gerade einmal 3200 Einwohnern.
Der Name Egetmann bedeutet wohl „Mann mit der Egge“, also dem Pflug. Und tatsächlich sollen die ersten Fastnachts-Umzüge des 16. Jahrhunderts noch mit dem Pflug geschehen sein.
Hauptfigur ist der Egetmannhansl, eine mit schwarzem Zylinder, weißen Handschuhen und Frack bekleidete Puppe, die in einer Kutsche von einem Diener begleitet daher kommt. Die Braut sitzt neben dem Kutscher auf dem Bock. Diesem Gespann folgen die Ratsherren in feinem Zwirn mit Zylinder. An jedem Brunnen des Dorfes wird halt gemacht. Der Schirmträger besteigt eine Leiter bis ganz hinauf, ihm folgt der Verkünder, der aus dem Protokollbuch das Eheaufgebot verkündet. Die Menge antwortet johlend nach jedem Satz mit einem „Hohoo“. Ich beobachte das Treiben von meinem Aussichts-Balkon und stelle fest, wie die Stimmung mit jeder Verkündigung weiter aufgeheizt wird und das Volk bereits ausgelassen auf den Straßen tanzt.
Doch was ist das? Welche grüne Gestalt, gehalten an einem Seil von einem Jägersmann drängt sich dort durch die Mengen? Es ist der wilde Mann. Der wilde Mann trägt ein grünes Kleid, aber aus Efeu. Daneben gibt es noch die Figur des grünen und des weißen Bären. Der grüne Bär symbolisiert den nahenden Frühling, der weiße Bär, den ich wenig später ebenfalls von einem Jäger am Seil gehalten in Menschenmenge entdecke, ist das Symbol des Winters, er muss am Ende des Umzugs sterben. Auch der wilde Mann – Symbol für die wilde, ungezügelte Natur – ist von einem Jäger begleitet, läuft von Dorfbrunnen zu Dorfbrunnen und wird schließlich ebenfalls auf dem Hauptplatz erschossen. Der alte, wilde Mann und der junge Jäger symbolisieren zusammen den Kampf des Winters gegen den Frühling, aus dem der Jäger als Frühling gestärkt hervorgeht.
Die zuerst daher gekommenen Schnappvieher, auch Wudelen genannt, werden von Metzgern begleitet und stehen für den bösen Winter. Bereits während des Umzugs werden sie handlungsreich zu Fall gebracht und mit dem Messer vom Metzger getötet. Symbolisch wird damit der Winter bekämpft. Erstaunt und respektvoll betrachte ich die drei Meter hohen Wudelen, die innen mit einem Brett für den Rücken ausgestattet sind. Durfte ich doch tags zuvor das Kostüm einmal selbst probieren, so weiß ich um das enorme Gewicht von 25-30 Kilogramm, die hier im Galopp durch die Gassen getragen werden. Aber was ein echter Traminer Junge ist, der hat von Kindesbeinen an das Tragen des Schnappviehs geübt und ist mit immer größer werdenden Kostümen dieser Art aufgewachsen von Zug zu Zug. Und schließlich findet in geraden Jahren ja auch der Kinder-Zug statt, so dass den Kleinen die Wartezeit verkürzt wird.
Von alten Weibern, Burgln und Waschweibern – ein atemberaubendes Spektakel
Ich entdecke noch zahlreiche, weitere Figuren, die da auf großen, reich geschmückten Wagen die Straße hinunter kommen. Jede dieser Gestalten hat eine eigene, feste Bedeutung. Hauptfiguren sind auch „Burgl“ und „Burgltreiber“. Mit geschwärztem Gesicht und in Lumpen gekleidet versteckt sich die Burgl vor dem Burgltreiber. Der Begriff „Burgl“ geht auf das lateinische Wort „purgare“ zurück und meint austreiben, die Figur symbolisiert den auszutreibenden Winter. Schreiend wird die Burgl vom Burgltreiber verfolgt, er trägt Schweinsblasen und schlägt damit auf die Burgl ein, die eine weibliche Figur darstellt.
Das Spektakel nimmt seinen Lauf, es folgen auf schepperndem Wagen die Pfannenflicker, die Schuster, die Hufschmiede, die armen und die reichen „Zigeuner“. Und von ihrer Statue ganz besonders auffällig, weil besonders korpulent gestaltet, geben sich die Schwarzbrenner.
Nass wird es bei den Waschweibern, die auf ihrem Wagen symbolisch die Winterwäsche reinwaschen und dabei kräftig die nassen Lumpen umher schwingen, dass auch der letzte Besucher die Nässe zu spüren bekommt. War man zuvor nur rußig, ist man nun auch nass. Eine Verkehrte Welt symbolisiert die Figur „Mann im Korb“, die zu Fuß daher kommt Die Frau trägt Mann und Kinder im Korb, als trage sie die Familie. In der Vergangenheit eine undenkbare Situation, war doch früher der Mann der Ernährer, der die Familie „trug“. Im Fasching wird diese Tradition aufs Korn genommen. Nicht weniger Symbolträchtig ist die „Altweibermühle“. Die Müller fangen dabei die alten Weiber ein, die man gut an den geschwärzten Gesichtern erkennt. Sie werden zur Verjüngungskur gezwungen, wollen davon aber nichts wissen und versuchen zu entkommen. Wird das alte Weib gefangen, so wird es auf die Mühle gespannt und zur Verjüngung gezwungen.
Die „Zenzi“ begleitet die Altweibermühle als letzte, traditionelle Aktion des Egetmanan-Umzugs. Eine alte, hässliche Frau, die auf keinen Fall jung werden will, wird am Ende auf dem Hauptplatz eingefangen und in die „Weibermühle“ zur Verjüngung gesteckt.
Der Fischerwagen sorgt zuvor noch einmal für eine atemberaubende Stimmung unter den Zuschauern. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Denn alter Fisch und Meeresfrüchte, die bereits kräftig abgelagert wurden, werden freigiebig in die Menge verteilt. Wer glaubt, er käme von diesem Umzug gepflegt heim, wird spätestens jetzt eines besseren belehrt. Grund genug also, den Frühling damit zu begehen, sich neue Kleidung anzuschaffen, denke ich bei mir während ich dem Spektakel beiwohne.
Ursprung und Herkunft des Traminer Faschings und des Egetmann-Umzugs
Der Traminer Fasching ist im Grunde ein Fruchbarkeitskult erklärt mir Stefan Steinegger, der die treibende Kraft in der Gruppe der Schnappvieher ist. Sein Großvater hat die Tradition dieser Figur in den 60er Jahren des vorherigen Jahrhunderts wieder aufleben lassen und seither ist die Gruppe der Schnappvieh-Träger auf stolze 40 Teilnehmer gewachsen, alles junge Männer zwischen 18 und 25 Jahren, die Kinder haben sollten, um die Tradition auch weitergeben zu können. Dabei ist die Herkunft des Schnappviehs eigentlich unbekannt.
Der Faschingsbrauch des Egetmann-Umzugs beruht vermutlich wie die meisten Tiroler Bräuche dieser Art auf der Symbolisierung des Kampfes zwischen Licht und Schatten, Gut und Böse, Winter und Frühling. Dieser Kampf wird im Umzug sehr deutlich dargestellt. Dabei geht es um Fruchbarkeitsriten und die Darstellung einer verkehrten Welt. Der Hansl, der eigentlich ein armer Bauer ist, kommt hier daher wie ein stolzer, reicher Mann. Deutlich zu erkennen sind die vorzeitlichen, heidnischen Wurzeln der Tradition. Außer in Tramin gibt es aber im Alpenraum kaum noch Dörfer, die diese Tradition pflegen, nicht zuletzt auch wegen ihres heidnischen Ursprungs, der der Kirche ein Dorn im Auge war. Der Egetmann-Umzug ist kein Schaulaufen für Auswärtige, die als Zuschauer aber gerne willkommen sind. Es ist ein Fest für die Traminer selbst, die damit ihre Tradition pflegen.
So wandelt sich zweijährig ein braves Weindorf in der Gegend um Bozen zu einem Hort ausgelassenen Feierns. Und das beginnt nicht erst am Faschingsdienstag. Bereits am „Unsinnigen Donnerstag“ – in Deutschland der Tag der „Weiberfastnacht“ verlagert sich das bunte Treiben auf die Straßen. Aber spätestens nach dem Drei-Königs-Tag beginnen die Feiern in den Häusern, die am Faschingsdienstag mit dem Egetmann-Umzug ihren Höhepunkt finden. Kaum in Worte zu fassen ist dieses Treiben, denn nur ein hautnahes Erlebnis im Ort vermittelt die Stimmung dieses Festes, das seines Gleichen sucht.
Kurz notiert
Wie kommt man hin?
Entspannt gestaltet sich die Reise von Deutschland aus mit der Bahn nach Bozen. Von dort aus kann man sich entweder vom Hotel abholen lassen in einer etwa 30-minütigen Fahrt, oder man mietet sich ein Auto zur Erkundung der Gegend. Planung der Anreise: www.bahn.de
Der Egetmann-Umzug
Alle Infos zum Umzugs mit Hintergründen gibt es hier:
Bildmaterial
Bilder vom aktuellen Zug und den vergangen Jahren sind hier zu finden
http://www.egetmann.com/de/fotos.php
Museum
Das Heimamuseum Tramin bietet das ganze Jahr über ausführliche und anschauliche Informationen zum Egetmann-Umzug. www.hoamet-tramin-museum.com
Unterkunft
Die meisten Unterkünfte haben in Tramin im Winter geschlossen, das Geschäft beginnt erst wieder nach Ostern im April. Aber das Hotel Pernhof bietet eine ausgezeichnete Unterkunft mit malerischem Talblick und guter Küche, es ist zum Egetmann-Umzug geöffnet.www.pernhof.com
Restaurants
Ähnlich wie die Unterkünfte sind auch die Restaurants in Tramin im Winter geschlossen. Ein ausgezeichnetes und hochklassiges Restaurant mit Weinladen, das geöffnet hat, ist der Hofstätter Garten direkt im Ortszentrum. www.garten-hofstaetter.com
Im Nachbarort Neumarkt finden sich dagegen einige, ausgezeichnete Restaurationsbetriebe. Die Enoteca „Johnson & Dipoli“ – kurz Enoteca ist nicht nur ein gemütliches Weinlokal, dass sogar ein Zimmer anbietet, sondern auch seit vielen Jahren ein zurecht hochgelobter Tipp unter Genießern, das einen Besuch lohnt.www.johnson-dipoli.it
Hochklassig und modern eingerichtet bei exzellenter Küche ist das Restaurant Piazetta in Neumarkt, das eine äußerst schmackhafte Küche bietet.www.lapiazetta-restaurant.com
Tourismus Tramin und Südtirols Süden
Weitere Informationen zu Unterkünften, Aktivitäten in der Region und regionalen Veranstaltungen erteilen die Tourismusämter Südtirols Süden und Tramin.
www.suedtirols-sueden.infound www.tramin.com
Ansprechpartner im Tourismusamt Südtirols Süden sind Hansjörg Mair und Katharina Alber
in Tramin begrüßt Petra Micheli die Gäste.
Diese Reise wurde durchgeführt mit freundlicher Unterstützung
von den Tourismusämtern Südtirols Süden,
Tramin und der Deutschen Bahn sowie der ÖBB.
Journeylist – Philip Duckwitz
Mitglied in der Vereinigung Deutscher Reisejournalisten (Journalistenkreis)
Mitglied im Deutschen Fachjournalisten-Verband (DFJV)
Internet: http://www.journeylist.de