Sternekoch Christian Rach, „Der Restauranttester“ sprach mit dem KirRoyal-Geniesserjournal über die Logik von Qualität und Erfolg.
KirRoyal: Herr Rach, das Thema unserer Winter- und Weihnachtsausgabe lautet: „Qualität – die Kunst des Könnens liegt im Wollen“.
C. Rach: Gut formuliert.
KirRoyal: Die Menschen, die Sie in Ihrer Sendung „Rach – der Restauranttester“ coachen, sind irgendwann einmal mit dem WILLEN angetreten, Gastronomie mit Qualität zu betreiben. Wenn es dann Probleme gibt, liegt es daran, dass diese Gastronomen nicht das Richtige wollen?
C. Rach: Einige mit Sicherheit, andere haben vielleicht nur das schnelle Geld im Kopf gehabt.
KirRoyal: Das ist sicher immer ein Thema in der Gastronomie, wo die Komplexität gern unterschätzt wird.
C. Rach: Ja genau.
KirRoyal: Oder anders gefragt: Was muss man wirklich wollen, um ein guter und erfolgreicher Gastronom zu werden?
C. Rach: Man muss wissen, was man kann. Das ist die Grundvoraussetzung, egal ob man aus dem Service- oder dem Kochbereich kommt. Dann muss man wissen, was man mit dem machen will, was man kann. Die weitere Frage ist, wo will man das machen, was man kann? Das heißt, die Standortfrage ist absolut entscheidend. Wenn sie wissen, dass sie ein wunderbarer Schnitzelbräter sind und dann begeben sie sich in eine Stadt, wo sie eine Standortanalyse gemacht und festgestellt haben; es gibt zehn Schnitzelrestaurants, dann ist das mit Sicherheit der falsche Standort. Wenn sie aber wissen, sie sind ein wunderbarer Pizzabäcker und gehen dann in eine Stadt in der es zehnSchnitzelrestaurants gibt, ist das vermutlich der richtige Standort. Die nächste Frage ist dann: Mit wem will ich das machen?
KirRoyal: Ist es nicht relativ schwierig für einen kleinen Start-up, diese Standortanalyse zu machen?
C. Rach: Es ist nicht schwierig. Ich denke man braucht nur seine fünf Sinne und vernünftiges Schuhwerk. Ich kann in meiner Sendung nicht alles zeigen, aber ich bin jedes Mal mindestens einen halben Tag zu Fuß in den Orten oder Städten unterwegs, in denen ich mich aufhalte, um zu wissen, wo ich bin. Wenn man den Ort nicht selbst kennt, reicht vermutlich ein halber Tag nicht. Dann sollte man sich schon mal zwei Tage einquartieren, um die Gegebenheiten kennen zu lernen. Das ist alles nicht so teuer. Sie können sich für 40 Euro ein Quartier nehmen und sich dann die Umgebung mal gründlichst anschauen. Wenn sie diese 40 Euro nicht haben, sollten sie auch keinen Restaurant aufmachen.
KirRoyal: Die Gastronomie ist in Deutschland ein offenes Gewerbe, welches einen Quereinstieg und damit verbunden Vielfalt, Fantasie und durchaus auch Qualität ermöglicht. Sie sind dafür selbst ein sehr positives Beispiel. Was sollte ein angehender Gastronom jedoch unbedingt können, um nicht zu den 70 % zu gehören, die bereits im ersten Jahr scheitern?
C. Rach: Er sollte sich auf alle Fälle vernünftig beraten lassen, der Verband, der das in Deutschland macht, ist die DEHOGA. Die sind sehr gut aufgestellt und informiert. Dann sollte er sich eine vernünftige Wirtschaftsberatung, sprich Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer zulegen, damit er von Anfang an auf diesem Gebiet keine Fehler macht. Alle diese Maßnahmen sind natürlich keine Garantie, dass der Erfolg kommt, aber sie sind eine Grundlage dafür, dass er nicht an diesen Basispunkten versagt. Sprich – dass er weiß, was ist Umsatzsteuer, was ist Berufsgenossenschaft. Für viele sind das ja Böhmische Dörfer. Wenn er mit zehn Personen einen Laden eröffnen will, dann muss er ja schon Unmengen an die Berufsgenossenschaft zahlen, dann kommt GEMA hinzu und so weiter. Das sind Gelder, die muss er alle berücksichtigen. Da hilft es, von Anfang an einen vernünftigen Berater an der Seite zu haben.
KirRoyal: Das ist ja oft das Problem, dass man die entsprechenden Leute mit gastronomischer Fachkompetenz vor Ort nicht leicht findet. Die DEHOGA, oder bei uns in Bayern der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband, tun in dieser Hinsicht ja leider auch noch relativ wenig. Die Frage ist also, sollten diese Organisationen hier mehr nachhaltige Unterstützung für Gründer anbieten oder, wie die Verbände oft fordern, die Gastronomie einfach nur noch Fachkräften zugänglich machen?
C. Rach: Ja, was heißt Fachkräfte? Ich habe natürlich eine vernünftige Ausbildung genossen, nur keinen Branchenabschluss. Wie Sie das heute in vielen anderen Berufen sehen, so hält genau diese Form der Ausbildung immer mehr Einzug. Was man machen kann, ist eine bessere Unterstützung. Man sollte die Menschen besser auf die Selbstständigkeit vorbereiten. Das könnte man auch schon in der Schule im Fach Wirtschaft durchführen. Dort kann man über Lebensmittelproduktion genauso sprechen wie über Sozialabgaben. Oder darüber, wie man sich am besten selbstständig macht. Ich bin dafür, dass man so ein Problem grundsätzlich angeht und das nicht nur als Flickschusterei betreibt. Man sieht ja heute am Thema Börsen – kein Mensch versteht die komplexen Zusammenhänge mehr.
KirRoyal: Sie beschreiben in Ihrem „Kochgesetzbuch“ die Grundausstattung mit den wichtigsten Küchenutensilien. Wie sieht es mit der Küche selbst aus?
Oft sind ja z.B. die Nasszellen, übrigens auch im privaten Bereich, größer und prunkvoller ausgestattet als die Küchen.
C. Rach: So ist das, ja.
KirRoyal: Über welche Basics müssen Küchen verfügen, damit man Qualität erzeugen kann? Gibt es auch hier ein Grundgesetz?
C. Rach: Das wird bereits bei Neubauten oft falsch gemacht, weil man nur noch auf Rendite aus ist. Die Faustregel lautet; 2/3 Backstage und 1/3 Front. Um vernünftig arbeiten zu können, müssen die Kapazitäten Backstage größer sein als im Gastraum. Sie brauchen Lager-, Vorbereitungs-, Kühl- und Müllräume etc.. Beim Bezug eines Altbaus ist es unbedingt notwendig, auf diese Lagerkapazitäten zu achten. Wie ich immer wieder feststelle, ist das oft ein Riesenproblem. Man hat keine vernünftigen Lagerkapazitäten zur Verfügung. Salz-, Mehl- und Mülleimer stehen durcheinander, alles wird kreuz und quer gelagert. Das ist natürlich einGraus. Bei solchen Altbauten muss man schauen, dass man das organisatorisch hinbekommt. Bei Neubauten sollte aber man unbedingt von vornherein darauf achten, dass alles von einem Fachmann geplant wird, oder die Finger davon lassen.
KirRoyal: Sie sind in Ihrer Sendung ein gefragter und meist erfolgreicher Unternehmensberater für die Gastronomie. Sie können jedoch nicht alle Betriebe besuchen, die in der Sackgasse stecken. Welche Tipps können Sie diesen Unternehmern geben?
C. Rach: Ganz wichtig ist eine ehrliche und offene Analyse. Man sollte einfach einmal Freunde einladen – nicht unbedingt den besten Freund – und ihn bitten: „Komm mal zu mir und sei mal neutraler Gast“, dies aber bei den Mitarbeitern nicht unbedingt groß kundtun. Nach dem Besuch dann ein offenes Gespräch führen. Was sind denn die Eindrücke? Und sich selbst fragen: Was lief am Anfang besser? Wenn der Laden von Anfang an nicht lief, wird es schwierig, dann muss man schon die vorbereitende Phase hinterfragen. Wenn es am Beginn gut lief und jetzt schlechter, so hat das natürlich Gründe – und meistens sind die in der Qualität, der Atmosphäre oder Ausstattung zu finden.
KirRoyal: Ist es dann sinnvoll, einen Unternehmensberater oder Coach zu engagieren bzw. Mysterychecks zu machen?
C. Rach: Dies ist gleich so hochgestochen, das kostet immer fürchterlich viel Geld. Denen, die Hilfe brauchen, fehlt es meistens am Geld und ein professioneller Unternehmensberater kostet nun einmal viel Geld. Wer kann das bezahlen? Das Einfachste ist hier wirklich, einen Bekannten zu fragen – mach das bitte mal für mich und gib mir hinterher ein offenes Statement. Mit dieser Analyse dann offen und klar die Dinge angehen. In den meisten Fällen, wo ich nachfrage, sagt man: „Eigentlich wussten wir das ja schon!“, und dann frage ich „Und warum ändert Ihr es dann nicht?“. Den Menschen ist es im Prinzip klar, sie haben aber Scheuklappen vor den Augen und sie wagen es nicht, diese wegzumachen, weil sie dann Konsequenzen ziehen müssten. Ein weiteres Problem ist, dass die meisten Leute Schwierigkeiten haben, Entscheidungen zu treffen.
KirRoyal: Hier gilt wieder der Spruch von Erich Kästner: „Es gibt nichts Gutes außer: Man tut es“. Herr Rach, verraten Sie uns Ihr Lieblingsrezept?
C. Rach: Ich mache gern Braten – einen der drei bis vier Stunden dauert, da sind die meisten Geschmackserlebnisse drin. Gerade jetzt, wo ich mit Ihnen spreche, fällt mir ein – wir haben ein „Lost of Knödelkultur“. Ein gut gemachter Knödel ist so etwas Hervorragendes. Aber leider bekommt man fast überall nur noch Fertigprodukte. Wenn man einen kleinen Kartoffelknödel frisch zubereitet und dann noch füllt, z.B. mit einer Aprikose oder einfach nur mit Croûtons, ist das ein Hochgenuss. Dazu einen langsam geschmorten Braten – dafür lasse ich alles stehen.
KirRoyal: Wie wäre es mit einem „Gastronomiegesetzbuch“, gerade für Einsteiger?
C. Rach: Da kommt was, lassen Sie sich überraschen.
KirRoyal: Herr Rach, herzlichen Dank für das offene Gespräch.